WB-Logo

DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 9.11.2006

Inhalt und Impressum


Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg

Ohne Orden fühlt sich ein General nackt

Wehrbereitschaft im Terror-Krieg – besser ohne Demokratie?


Erinnern Sie sich noch an Martin Hohmann? Ja, das war der CDU-Bundestagsabgeordnete und katholische Fundamentalist aus Fulda, der Deutschland zu Lasten der gottlosen Juden und Bolschewisten freisprechen wollte. Seine Rede vom 3. Oktober 2003 belegte: Die Grenzen zwischen elitärem „christlichem Antijudaismus“ und ordinärem Antisemitismus sind fließend. Hohmanns politische Karriere endete (vorerst), er wurde zu Recht aus der CDU ausgeschlossen.

Im Dezember 2001, als Martin Hohmann noch ein bei seinen Parteifreunden hoch angesehener Bundestagsabgeordneter war, hatte er eine Idee. Er machte den Vorschlag, das Eiserne Kreuz neu aufzulegen als Orden für die deutschen Afghanistan-Kämpfer. Die rechtsradikale Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (51/2001) zitierte ihn damals begeistert: „Die Soldaten, die ihr Leben in Afghanistan riskieren, müssen das Eiserne Kreuz erhalten, weil sie sich durch eine besonders ausgeprägte Tapferkeit auszeichnen“.

Das hat in Deutschland Tradition. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts regnete noch bei jedem größeren Krieg auf die stolzen Helden eine neue Auflage von Eisernen Kreuzen hernieder. Man findet das Symbol auf jedem Kriegsdenkmal. Eine Hyperinflation dieses nationalen Kitsches gab es zuletzt unter den Nazis.

Eiserne Kreuze für deutsche Afghanistan-Kämpfer. Wer hätte das noch vor ein paar Jahren für möglich gehalten, als es im CDU-Milieu, aber beispielsweise auch bei den Grünen, noch schick war, den „Widerstand der tapferen afghanischen Mujaheddin“ gegen die fremden Truppen aus der Sowjetunion zu bejubeln.

Martin Hohmann hatte bei seinem Vorschlag allerdings nicht nur die Förderung der Wehrbereitschaft im Sinn. Schließlich kommandierte sein Freund General Reinhard Günzel eine Truppe in Afghanistan und wäre sicher einer der ersten gewesen, dem die zweifelhafte Ehre eines Eisernen Kreuzes teilhaftig geworden wäre. Günzel brachte seine Freundschaft zu Martin Hohmann allerdings nicht einen blitzenden Orden, sondern seine Entlassung. Er hatte sich allzu euphorisch mit Hohmanns fataler Rede solidarisiert, und der Verteidigungsminister traf ausnahmsweise einmal eine richtige Entscheidung: der General wurde im November 2003 entlassen.

Seitdem gibt der Ex-General das Unschuldslamm, das dunklen Machenschaften zum Opfer gefallen sei. Mit dieser Geschichte tingelt der zu Unrecht des Rechtsextremismus bezichtigte von einer rechten Veranstaltung zur anderen. Jetzt, wo die Pensionsansprüche gesichert erscheinen, nimmt der General auch kein Blatt mehr vor den Mund.

Im November 2005 wandte sich der bekannte rechtsradikale Verleger Dietmar Munier an seine Kunden. Nach einem Rundumschlag gegen „antideutsche Propaganda“, gegen die „Einheitsfront der Geschichtsfälscher“ und einem Lob für die „bis zu 20 Prozent der Jungewähler“, die „bei den letzten Wahlen patriotischen Parteien ihre Stimme gegeben“ hätten (damit können nur NPD und DVU gemeint sein), kündigte Munier eine Neuerscheinung in einem seiner Verlage an:

„Niemand hat mir in den letzten Jahren so sehr imponiert wie der großartige Ex-Kommandeur der Bundeswehr-Spezialeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK), Brigadegeneral a.D. Reinhard Günzel. ... Bei manchem anregenden Gespräch mit diesem Elitegeneral entstand die Idee zu einem Buch, das einen bewußten Kontrapunkt zur Traditionsfeindlichkeit unserer Gesellschaft setzen soll. General Günzel und der Gründer der Bundesgrenzschutz-Spezialeinheit „Grenzschutzgruppe 9“ (GSG 9), General a.D. Ulrich K. Wegener, bekennen sich ohne Wenn und Aber dazu, daß ihr Traditionsverständnis nicht nur bis zum 8. Mai 1945 zurückreicht. Bei der Ausbildung ihrer Kommandoverbände hatten sie stets auch die legendäre deutsche Eliteeinheit der „Brandenburger“ im Zweiten Weltkrieg vor Augen, deren letzter Kommandeur Wilhelm Walther hochbetagt noch lebt und mit beiden eng befreundet ist. Diese drei Männer schrieben für unsere Buchneuerscheinung ... die Erinnerungen an ihre Kommandeurszeit auf und öffneten ihre privaten Fotoarchive für einen Farbbildband der Superlative.“

Die Einheit der „Brandenburger“ war eine der berüchtigsten Sondereinheiten des Nazi-Regimes. Sie war der „Abwehr“ unterstellt und operierte in fremden Uniformen im Hinterland der überfallenen Staaten.

General Reinhard Günzel kommandierte die ab 1996 neu aufgestellte Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK). Zu den Aufgaben des KSK gehören u.a.: „Kampf gegen subversive Kräfte sowie verdeckte Operationen im Aufgabenbereich der Streitkräfte, Kampfeinsätze auch im gegnerischen Gebiet, einschließlich der Lähmung oder Zerstörung wichtiger Objekte.“ (Deutscher Bundestag: Drucksache 13/6924 vom 07.02.1997).

Diese Einsätze sind streng geheim. Nicht einmal alle Einsatzländer sind mit Sicherheit bekannt. Es heißt, die KSK helfe in Afghanistan den US-Eliteeinheiten bei der Bekämpfung der Reste der Taliban. Angeblich sind die Einsätze des KSK deshalb so geheim, weil die beteiligten Soldaten und ihre Familien geschützt werden müßten. Man tut so, als gehe es darum, Namens- und Adressenlisten der Beteiligten zu veröffentlichen. Die Öffentlichkeit läßt sich seltsamerweise mit diesen fadenscheinigen Argumenten abspeisen.

Die Einsätze der KSK sind ein blinder Fleck in der Berichterstattung. Stattdessen findet man Berichte über die regulären Bundeswehreinheiten in Afghanistan, die den Eindruck vermitteln, als handle es sich um einen fast zivilen Polizeieinsatz. Deutsche Soldaten verteilen Süßigkeiten an afghanische Kinder, sorgen für den Bau von Schulen und Krankenhäusern. Solche Bilder kommen einem bekannt vor; sie ähneln allzu zu sehr den Propagandabildern aus früheren Kriegen, die die grausige Realität des Krieges verdecken sollten.

Bei den Einsätzen des KSK sind keine Journalisten zugegen. So besteht auch keine Gefahr, es könnten „schlechte Bilder“ in Umlauf kommen, die dem Ansehen der Elitetruppe schaden.

In solch einer Elitetruppe herrscht ein elitärer Geist. Läßt man solch eine Truppe im Geheimen und ohne wirksame Kontrolle, so wie es jetzt der Fall ist, sollte man sich nicht wundern, wenn sich dort antidemokratische Tendenzen breitmachen. Dem entgegenzusteuern wäre in einer demokratischen Armee die Aufgabe der zuständigen Kommandeure.

Wie konnte aber jemand wie Reinhard Günzel, der sicherlich vor seiner Entlassung nicht anders dachte als nach seiner Entlassung, an solch einer sensiblen Stelle eine solche Verantwortung erhalten? Wie viele ähnliche Fälle gibt es, die nicht auffallen, weil sie bis zur Pensionierung mit ihren öffentlichen Äußerungen nicht so unvorsichtig sind wie Herr Günzel?

Das sind Fragen, die nur einer hören will, der stören will. Sie haben schon Recht, geschätzte Leserin, geschätzter Leser dieses Flugblatts: Wir sind Antimilitaristen und haben etwas gegen die Bundeswehr. Ja wir fordern sogar ihre völlige Abschaffung.

Aber dennoch kann uns nicht gleichgültig sein, was innerhalb der Bundeswehr vor sich geht. Antidemokratische Tendenzen in der Armee hatten immer auch Rückwirkungen auf die Gesellschaft. Man braucht dazu nicht einmal das drastische Beispiel Pinochet in Chile herbeizuzitieren. Näher liegt eine Analogie zu Frankreichs Algerien-Krieg. Aus den damaligen Elite- und Foltereinheiten ging dort nicht nur ein Putsch gegen die Demokratie hervor, sondern auch eine ganze Generation von rechtsradikalen Politikern, die bis heute die politische Landschaft Frankreichs negativ beeinflussen: der prominenteste ist der Führer des Front National Jean Marie Le Pen.



Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte Kriegsdienstgegner

Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg
E-Mail: situationspresse@gmx.de

Bitte erfragen Sie unser Spendenkonto per E-Mail.

Verantwortlich: Helmut Loeven


[Flugblatt zum Ostermarsch 2006]


DFG-VK Duisburg * Internet: www.dfg-vk-duisburg.de * E-mail: situationspresse@gmx.de