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DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 14.3.2012

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Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

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Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg

Bitte beachten Sie zum Thema Die Bandbreite auch die ergänzenden Informationen auf unserer Inhalts-Seite.

Die letzten Tassen
oder Der apologetische Kusselkopp


aus DER METZGER Nr. 96 (September 2011)


Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) lud zu ihrem UZ-Pressefest die Band „Die Bandbreite“ ein. Das gab Streit. Dann lud sie sie wieder aus, und es gab mehr Streit. Dann durfte die Band doch spielen, und es gab Tumult. Eine eigentlich belanglose Affäre gewährt Einblick in den Geisteszustand der linken Bewegung.


von Helmut Loeven


Mein Herr, wenn Sie nicht schweigen, werde ich Sie zitieren.“

Karl Kraus


Vom 24. bis 26. Juni 2011 fand im Dortmunder Revierpark Wischlingen das traditionelle „UZ-Pressefest – Fest der Solidarität der DKP“ statt. Angekündigt wurde auch die Duisburger Hiphop-Band Die Bandbreite. Das war zu befürchten.

Was auch zu befürchten gewesen wäre, trat dann zum Glück aber nicht ein: Nein, ein reibungsloser Ablauf des Programms, Bandbreite inklusive, fand nicht statt. Meine Partei vernahm Vorbehalte gegen diesen Auftritt. Es wurde ihr nahelegt, die Bandbreite wieder auszuladen. Diesem guten Rat kam die Partei dann nach – leider nur vorübergehend und leider mit einer Begründung, die daran zweifeln läßt, daß sie überhaupt begriffen hat, warum ein Auftritt von Die Bandbreite bei einem solchen Festival doch nun wirklich ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Die Bandbreite ist eigentlich gar keine Band, sondern der Sänger Marcel Wojnarowicz (genannt Wojna), und Torben Pape (genannt DJ Torben), der die Playback-Anlage anknipst.

Der Formation wird unter anderem nachgesagt, in ihren Texten seien sexistische, homophobe, frauenfeindliche Tendenzen zu hören, und in der Wahl ihrer Veranstalter lasse sich ein Liebäugeln mit rechts erahnen.

Was tut eine Kommunistische Partei, die mit solchen Hinweisen konfrontiert ist? Die DKP berief sich auf den Österreichischen „Kulturverein Willy“, der zuvor die Bandbreite bei einem Festival in Österreich hatte auftreten lassen. In dem Gutachten heißt es:

Sexismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Liebäugeln mit Rechts wird beim Willy ... nicht ansatzweise geduldet. Bands, bei denen wir so etwas vermuten, werden gar nicht eingeladen bzw. bei Irrtum auch wieder ausgeladen.“ Aha.

In dem Gutachten wird zwar schlechterdings nicht bestritten, daß in den Texten Stellen vorkommen, die als sexistisch, homophob und frauenfeindlich verstanden werden können. Es wird auch nicht bestritten, daß die Musiker sich in rechten Kreisen bewegt haben, aber das Fazit lautet: Die Vorwürfe sind unberechtigt. Der Tenor, in etwa: Es ist zwar bedauerlich, in den Texten sexistische, homophobe, frauenfeindliche Sprüche zu hören, aber zu behaupten, diese Band sei sexistisch, homophob und frauenfeindlich, das ginge dann doch zu weit.

So schlecht (beziehungsweise gar nicht) beraten, wußte die DKP keinen besseren Rat, als den Auftritt von Bandbreite aus dem Programm zu entfernen. Die Begründung dafür allerdings hat es in sich:

In den letzten Wochen wurde massiver Druck, insbesondere aus dem politischen Spektrum der sogenannten ‚Antideutschen‘, auf den Veranstalter ausgeübt, diese Gruppe wieder auszuladen. Sie dürfe nicht auftreten, weil sie sexistische, homophobe, rassistische, faschistische und antisemitische Inhalte verbreite. Wir haben die Vorwürfe sorgfältig geprüft und halten die Mehrheit der Vorwürfe“ Wie bitte? Die „Mehrheit der Vorwürfe“? „für konstruiert und Teil einer üblen Kampagne. Die Band will sich Debatten stellen und will mit ihren Positionen überzeugen. Über ihre Positionen kann man unterschiedlicher Meinungen haben.“ (recte: sein). „Einige Auftritte der Band auf Veranstaltungen, deren Initiatoren und deren politischer Anspruch nach unserer Auffassung fragwürdig sind, halten wir jedoch für ‚kurzsichtig‘ und politisch falsch, auch wenn die Band versucht hat, auch dort ihre Inhalte zu vermitteln und immer ihre linke Grundhaltung betonte. All dies läßt jedoch nicht die Schlußfolgerung zu, es handle sich um eine Band, die rechtem Gedankengut anhänge oder ‚Querfrontpolitik‘ betreibe. Wir sind nach unseren gründlichen Recherchen, nach Gesprächen mit anderen Veranstaltern und Kulturschaffenden zu dem Ergebnis gekommen, daß ‚Die Bandbreite‘ aus unserer Sicht nach wie vor zum breiten Spektrum linker Kultur zählt. Wir wollten Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit geben, die Band auf dem Pressefest der UZ kennenzulernen und sich ein eigenes Bild zu machen. Auf Grund diverser Hinweise müssen wir jedoch befürchten, daß es bei diesem Konzert zu massiven Störungen und Auseinandersetzungen kommen wird. Wir haben deshalb mit der Gruppe ‚Die Bandbreite‘ vereinbart, daß ihr Konzert auf dem Fest ausfällt. Dies geschieht aus der Sorge, daß es uns sonst nicht möglich wäre, ein friedliches und solidarisches Volksfest auszurichten.“

Wenn Linke was falsch machen, dann merken die das erst, wenn es knallt – und dann wissen sie nicht, warum es geknallt hat. Die Progamm-Macher taten zwar das Richtige, aber aus den falschen Gründen. Unfähig, einzugestehen, sich beim Engagement der Bandbreite vergriffen zu haben, werden die eigentlichen Gründe beiseitegeschoben („üble Kampagne“), die vor aller Welt diskreditierte Bandbreite wird reingewaschen („Mehrheit der Vorwürfe“ – seltsam! „aus unserer Sicht“ zum „breiten Spektrum linker Kultur“ gezählt“), und es werden böse Mächte herbeizitiert („diverse Hinweise“). Dieser Versuch, einen Fehler zu korrigieren ohne ihn einzugestehen, ließ die letzten Tassen, die noch im Schrank waren, zu Bruch gehen. Nach der seltsamen Logik „Wenn die Antideutschen dagegen sind, müssen die, die dagegen sind, Antideutsche sein“ wurden Kritiker diffamiert. Und die Partei präsentiert sich als Hasenfuß, etwa nach dem Motto: Wir können die Band nicht spielen lassen, die Antideutschen schimpfen sonst.

Die Auseinandersetzung auf dem UZ-Fest war dadurch verzerrt. Die allzu blauäugigen Bandbreite-Verehrer kamen sich vor wie Verteidiger der Kunstfreiheit, die der Partei vorwarfen, vor den Antideutschen eingeknickt zu sein. Die Bandbreite produzierte kurzerhand ein Video mit Stellungnahmen von UZ-Fest-Besuchern. Die Österreicherin vom „Kulturverein Willy“ bestätigte, daß die Bandbreite „antikapitalistische Lieder auf den Punkt bringt“ (ein Satz, der sich selbst in den Schwanz beißt). Klaus Hartmann, Vorsitzender des Feidenkerverbandes, wähnte gar, Anti-Mainstream-Denken und -Forschen solle „mit Verbot, Zensur und Ausschluß aus der zivilisierten Gesellschaft“ geahndet werden. Die konkreten Vorwürfe gegen die Bandbreite konnten so bequem ignoriert werden.

Wenn Klarheit durch Wahrnehmungssperren verhindert wird, wenn Kritik zur feindlichen Kampagne umgedeutet wird, entsteht die Kumpanei im Grabenkampf. Niemand hat von der DKP verlangt, die Bandbreite zu verbieten beziehungsweise aus der zivilisierten Gesellschaft auszuschließen. Von der Freiheit der Kunst läßt sich nicht der Anspruch herleiten, dorthin eingeladen zu werden, wo man nicht hingehört.

Die proklamierte Furcht vor antideutschen Störenfrieden ist doch gar zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Die sogenannten Antideutschen sind doch nicht nur gegen die „Bandbreite“, sondern gegen alles. Dann hätte man die ganze Veranstaltung absagen müssen.


Wenn man eine so schlecht beleumundete Band wie die Bandbreite engagiert, eine Band, der ein so schlechter Ruf anhängt, darf man sich nicht wundern, wenn man in die Schußlinie gerät. Dann steht es einem schlecht, die beleidigte Leberwurst zu spielen und sich als Ziel einer üblen Kampagne aufzuführen.

Es ist durchaus statthaft, ja mitunter sogar geboten, für den schlecht Beleumundeten Partei zu ergreifen. Ich nenne zwei Beispiele:

Als CDU-Abgeordnete in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft die Plakate einer Staeck-Ausstellung von den Wänden rissen, habe ich im Eschhaus eine Staeck-Ausstellung organisiert. Als irre gewordene „Kinderschützer“, vor denen die Kinder geschützt werden müssen, gegen Katharina Rutschky und Wiglaf Droste hetzten, habe ich deren Bücher ins Schaufenster gelegt und auf Büchertischen präsentiert (siehe DER METZGER 66). Allerdings wußte ich, wer Klaus Staeck war, ich wußte, wer Wiglaf Droste und wer Katharina Rutschky war. Die DKP wußte nicht, mit wem sie es da zu tun hatte, obwohl sie es hätte wissen müssen und wissen können. Sie weiß es immer noch nicht, und sie will es nicht wissen. An hilfreichen Hinweisen hat es nicht gemangelt, auch aus den eigenen Reihen. Die Kreisorganisationen in Köln und Essen hatten gewarnt.


Es ist nicht verwunderlich, daß bereits mehrere Auftritte der Band im Vorfeld seitens der Veranstalter abgesagt wurden“ schrieb die WAZ schon 2008 in ihrem Online-Auftritt. „Ein Sprecher der DGB Jugend und der IG Metall Bayern erklärte, die Gruppe nicht mehr auftreten lassen zu wollen.“ Daran kann man sich doch ein Beispiel nehmen. Die WAZ spottete damals über eine Veranstaltung in Meiderich unter dem Titel „Liedermaching meets HipHop“: „Dabei dürfte es sich lediglich um eine ‚klein‘-künstlerische Darbietung vor ausgesuchtem Publikum handeln, das Veranstaltungen, die Begriffe wie ‚Liedermaching‘ im Titel tragen, nicht scheut. Zu hören sein wird dort sicher der aktuelle und eher belanglose Titel ‚Dat is Duisburg‘. In diesem wird unter anderem Duisburgs kulturelle Beschränktheit bemängelt. Spötter könnten behaupten, die vortragende Gruppe selbst sei deren stärkster Ausdruck. Seine“ (Wojnas) „intellektuell offenkundig eher schlichte, von historischen Fakten unbelastete Gedankenwelt bricht sich in Verschwörungstheorien Bahn. Am 15. August steht wohl ‚Zuhausebleibing meets Fernsehprogramm‘ auf der Agenda.“

Wojna hat nicht gerade das Pulver erfunden. Der die „antikapitalistischen Lieder auf den Punkt bringt“ verfügt über ein sehr unterentwickeltes politisches Urteilsvermögen mit Neigung zu Geschmacksunsicherheit (um es gnädig zu formulieren). Die Texte, in denen das Sexuelle „thematisiert“ wird mit so sinnigen Titeln wie „Eingelocht“ und „Miesmuschel“, sind von einer Unappetitlichkeit, daß ich mich weigere, sie hier wiederzugeben. Die Österreicherin vom „Kulturverein Willy“, die sich zweifellos reflexhaft über die ästhetischen Nacktfotos im METZGER echauffieren würde, findet: „Texte wie ‚Miesmuschel‘, ‚Eingelocht‘ und andere diesbezüglich inkriminierte Liedertexte sind“ vielleicht „Teil einer Abrechnung und Anklage gegen Frauenfeindlichkeit und Sexismus. Dann gilt, daß das Publikum entscheidet, ob diese Anklage gelungen ist oder nicht.“ So wird an niedere Instinkte im Publikum appelliert, zugleich hält man die Generalklausel parat, daß das doch alles gar nicht so gemeint ist wie es wirkt.

Auch sexualpsychologisch kennt sich der Rapper aus.“ (WAZ 2008) „Wojnarowicz unternimmt faschismusanalytische Anstrengungen. So berichtet er in der musikalischen Notbremse mit dem Titel ‚Kein Sex mit Nazis‘ über Hitlers homoerotische Neigungen – und daß deren Nichterfüllung Ursache für sein Handeln gewesen sei.“

Das „Anti-Mainstream-Forschen“ führte nämlich zu so einem Resultat: „Der Führer Adolf Hitler war homosexuell, und deshalb trieb er es mit Rudolf Hess in nem Hotel, doch viel zu oft war Rudi in Europa unterwegs, und dat ging dem geilen Adi ja ma tierisch auf den Keks. ... Darum war er ständig angepisst und auch so voll fanatisch.“

Daß das schlichtweg Blödsinn ist, wäre noch der geringste Einwand gegen solche Sottise. Aber der „Kulturverein Willy“ möchte auch dazu einen apologetischen Kusselkopp beisteuern: „Homophobie: Diese Interpretation gibt der Text von ‚Kein Sex mit Nazis‘ nicht her. Es entzieht sich unserer Fantasie, warum ein Spottlied auf die Naziwidersprüche nicht auf die Verursacher dieser Widersprüche sondern auf die Opfer projiziert werden sollte.“

Ohne Pirouette zu drehen schrieb einer namens „Dagewesener“ bei indymedia.org: „die bandbreite sind m.e. nicht sexistisch-antisemitisch-sonstwas, zumindest nicht mehr als ein großteil der gesellschaft sonst auch, die (inklusive fans) sind nur einfach strunzdoof.“ Das stimmt wohl. Aber man sollte vor einen Doofen kein Mikrophon hinstellen. Beim Ostermarsch 2011 in Duisburg redete Wojna in ein solches von den „Nazis in der israelischen Regierung“ (siehe DER METZGER 95).


Der junge Mann am Stand der Arbeiterfotogafie konnte es gar nicht fassen, daß ich gar nicht geneigt war, den Protest gegen die Bandbreite-Ausladung zu unterschreiben. Er hielt mich – klar – für ein Opfer der Manipulation durch die Massenmedien. Ich wurde aufgeklärt: „Wojna hat das Licht gesehen!“ So wie Karl Marx, der hätte auch „das Licht gesehen, oder etwa nicht?“ – „Nein,“ sagte ich, „dazu war er zu sehr Wissenschaftler, dem es um Erkenntnis ging und nicht nach ‚Erleuchtung‘.“

Die Suche nach „Erleuchtung“ ist doch bloß die Suche nach simplifizierten „Wahrheiten“. Der Antikapitalismus des mit Karl Marx auf eine Erleuchtungsstufe gehobenen Wojna lautet zusammengefaßt: „Klick, klack! Bumm! Kapitali-sten? Kopfschuß!“ Das erinnert mich weniger an Marx, eher an den elefantösen Spontispruch „Kapitalismus muß putt“.


Daß dieser Sangesbruder ein Faible für allerlei krude Verschwörungstheorien hegt, nun ja, das sei nun mal eine Marotte, die man nicht ernst nehmen müsse, wurde mir vorgehalten.

Nun ja. Die diversen Verschwörungs„theorien“ (die man besser als Verschwörungsphantastereien bezeichnen sollte) haben ja einen gewissen Unterhaltungswert – daß das Mittelalter gar nicht stattgefunden hat etwa. Wenn da nicht ein ganzer Rattenschwanz von Geschichtsumdeutung dranhängen würde!

Die Bandbreite, die sich zur „Truther-Bewegung“ zählt, verbreitet die Behauptung, die Amerikaner hätten sich in Pearl Harbor selbst bombardiert. Das Dortmunder Antifa-Bündnis bittet um Klarstellung: „Es stellt sich die Frage was uns ‚Die Bandbreite‘ hier sagen möchte: Hätten die USA nicht in den Zweiten Weltkrieg eingreifen sollen? Bezweifelt ‚Die Bandbreite‘, daß es zwischen Japan und den USA einen Konflikt um Einfluß im Pazifikraum gab, der ein einem Krieg gemündet ist? Im Verlauf des Liedes weiten sie schließlich ihre Verschwörungstheorien auf den 11. September 2001 aus. Sie behaupten, der Anschlag sei von den USA ‚selbst gemacht‘, um Kriege gegen Afghanistan und den Irak führen zu können.“

Genau an dieser Stelle ist das Leck! Hier hat die Linke ihre weiche Flanke! Die Verschwörungsphantastereien sind ein Spiel mit dem Feuer. Auf dem Tummelplatz der Verschwörungsphantasten tummeln sich nicht nur ein paar verschrobene Irrläufer, nicht nur ein paar unfreiwillig komische Knallköppe, sondern Geschichtsrevisionisten, Braun-Esoteriker – und die Holocaust-Leugner sind dann auch nicht weit (siehe Dokumentation auf den folgenden Seiten). Der „Kulturverein Willy“ euphemisiert: „Wir sehen nicht, daß die Anzweiflung offizieller, herrschender Erklärungen zum Terroranschlag auf das WTC als Verschwörungstheorie zu bezeichnen wäre.“


Die Bandbreite trat in der Schweiz bei der „Anti-Zensur-Koalition“ des Schweizer evangelikalen Sektengründers Ivo Sasek auf (siehe folgende Seiten). Wojna kommentierte: „Ich bin der Meinung, jede Information muß nach draußen dürfen. Es darf nicht zensiert werden. Und das wird ständig getan. ... Man darf ganz bestimmte Sachen nicht sagen. Dann wird man sofort stigmatisiert, in eine ganz bestimmte politische Ecke gestellt.“ Er steht da, wo er sich selbst hingestellt hat.

Am 10. Juni 2011 trat Die Bandbreite auf einer Gegenveranstaltung zu einem Bilderbergertreffen in St. Moritz (Schweiz) auf. Die Veranstaltung wurde sowohl von dem Versschwörungsblog Alles Schall und Rauch als auch der „Jungen SVP“ unterstützt, als Organisatoror tritt die Verschwörungsplattform "Info8" in Erscheinung. Bei der SVP handelt es sich um eine rechtspopulistische Schweizer Partei. Der Schweizer Nationalrat Pirmin Schwander (SVP) sprach sich in der Vergangenheit für eine restriktive Migrationspolitik aus. Der Abgeordnete Lukas Reimann (SVP) sprach sich gegen die Öffnung der Schweizer Universitäten für ausländische Studierende aus und engagierte sich für „bewährte Werte“.

Auf www.readers-edition.de wird Wojna zitiert: Es sei „in erster Linie um die Kritik am fragwürdigen Treffen der ‚Bilderberger‘ gegangen. Wo, fragte Wojna, seien bei den Protesten vor Ort denn die Kommunisten und Linken gewesen? Ihre Botschaft: Gegen Mißstände müsse man sozusagen gruppenübergreifend zusammenarbeiten. Und überhaupt: Das Publikum bei der Veranstaltung in der Schweiz sei sehr tolerant gewesen... Zwar sei die ‚Junge SVP Luzern‘ ... involviert gewesen; die ‚Bandbreite‘ meinte aber, die SVP sei als Partei in etwa so etwas ‚wie die CDU‘ in Deutschland. ‚Rechte Leute‘, beteuerte der Sänger, seien keine auf der ‚Party‘ in St. Moritz dabeigewesen.“

Nicht ganz im Einklang damit ist das, was Wojna bei youtube hören ließ: „Wir sind in die Schweiz gefahren, um gegen das Bilderberg-Treffen zu demonstrieren... Da wollten wir auch nicht absagen. Info8.ch ist eine unabhängige alternative Medienplattform, die eingeladen hat, und sie hat auch Schweizer Nationalräte der SVP eingeladen. Wir haben aber auf der Veranstaltung ganz klar unseren Standpunkt klargemacht. Das würde ich mir von mehr Genossen wünschen. Es ist nämlich einfach, vor den eigenen Genossen zu sagen, wir sind für Toleranz, wir sind gegen Islamophobie. Schwieriger ist es, das beim politischen Feind zu tun, Das haben wir getan. ... Um eine Vereinnahmung durch die SVP zu verhindern, haben wir gesagt: wir spielen dort,“ Hörthört! „und wir haben uns die Frage gestellt: Wo sind denn eigentlich die anderen Linken, die auch noch hier sein müßten, und die auch gegen dieses Bilderbergertreffen protestieren müßten. Warum sieht man keine Linken beim Bilderberg-Treffen?“

Unbeeindruckt von alledem verkündet die DKP in einer Pressemitteilung: „All dies läßt jedoch nicht die Schlußfolgerung zu, es handle sich um eine Band, die ...‚Querfrontpolitik‘ betreibe.“ Die DKP duldet keine Querfrontpolitik, außer, wenn sie vor ihrer Nase stattfindet.


Vor ein paar Jahren habe ich diese Anekdote erlebt: Die MLPD veranstaltete ihre wöchentliche „Montagsdemonstration“ (gegen Hartz IV, gegen Agenda 2010, gegen Sozialabbau), und plötzlich waren Leute von der NPD da. Es gab Tumult, Polizei kam.

Und dann hat mir einer (DKP-Mitglied) erzählt, wie er das mitgekriegt hatte: Da hätten die Nazis eine Gegendemonstration veranstalten wollen, nämlich für Hartz IV, für Agenda 2010, für Sozialabbau.

Die Schablone ist gar zu simpel: Wir sind die Guten. Und weil wir die Guten sind, haben wir die richtigen Forderungen. Und weil die Bösen das Gegenteil von den Guten (also von uns) sind, sind ihre Forderungen den unseren diametral entgegengesetzt. Anders kann es ja gar nicht sein.

Die Sache verhält sich allerdings ein bißchen anders: Die NPD ist nämlich auch gegen Hartz IV, gegen Agenda 2010, gegen Sozialabbau, gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan etc. pp. Die Nazis haben sich gar nicht gegen die Montagsdemonstration gestellt, sondern in sie einzudringen versucht.

Sozialdemagogie? Täuschungsmanöver? Gewiß. Aber genau das werfen die ja auch uns vor.

Die Routine-Linken glauben, die Nazis an ihren Glatzen, an ihren Springerstiefeln und an ihren SS-Tattoos zu erkennen. Sie halten die Rechten schlichtweg für tumbe Phrasendrescher und Schläger. Obwohl ich mir darüber seit Jahren in der Partei den Mund fusselig rede, hat sich noch nicht herumgesprochen, daß es nicht die einzige Taktik der Rechten ist, sich den Linken diametral entgegenzustellen, sie zu bedrohen, ihre Veranstaltungen zu stören und ihren Anhängern aufzulauern. So diversifiziert die rechte Szene in Erscheinung tritt, so diversifiziert sind auch ihre Taktiken, und es wäre den Linken zu empfehlen, sich mit diesen Sachverhalten vertraut zu machen. Die Rechten stellen sich nicht immer nur so dar, wie die Linken sich die Rechten vorstellen.

Zu ihren Taktiken gehört zum Beispiel: Sozialdemagogie (deutscher Sozialstaat für deutsche Menschen, deutsche Löhne für deutsche Arbeiter). Zu ihren Taktiken gehört auch: die Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen. Wenn einer mit einem Che-Guevara-T-Shirt herumrennt, kann man nicht sicher sein, ob das nicht vielleicht einer von der NPD ist. Das Buch zu diesem Thema ist dringend zu empfehlen (Regina Wamper / Helmut Kellershohn / Martin Dietzsch (Hg.): Rechte Diskurspiraterien. Edition DISS im Unrast-Verlag). Es handelt sich darum, daß die Rechten auf traditionell linken Themenfeldern Deutungshoheit erlangen wollen.

Zu den rechten Taktiken gehört die Querfrontpolitik, deren bekanntester Vertreter Jürgen Elsässer ist. Mit seiner „Volksinitiative“ propagiert der frühere Junge-Welt- und Konkret-Redakteur ein nationales Bündnis „von Lafontaine bis Gossweiler“ (siehe DER METZGER 83, 89, 92, 93). Wenn ich in der Partei erzählen würde, daß Die Bandbreite auch schon bei Elsässer aufgetreten ist, kriegte ich als Antwort wohl nur zu hören: „Wer ist Elsässer?“

Die Wochenzeitung Junge Freiheit ist das meistgelesene Organ der Neuen Rechten. Mit der Nazi-Nostalgie der alten Knacker mit Gamsbarthut und der Marschmusik-Fetischisten, wie von Loriot im Weihnachtssketch karikiert, haben die nichts am Hut. Die Junge Freiheit gibt sich modern, weltoffen und intellektuell. Ihr querfrontpolitisches Werkzeug ist das Interview, ihre Trophäe ist die lange Liste nicht-rechter Interviewpartner – z.B. Egon Bahr, Peter Glotz. Darüber schrieb Jakop Heinn in DER METZGER 87: „Der Jungen Freiheit ist es eigentlich egal, was in den Interviews gesagt wird. Auf ‚Anstößiges‘ sind die gar nicht aus. Die Junge Freiheit erwartet von ihren Interviewpartnern nicht die Paraphrase rechter Ideologie. Das Junge-Freiheit-Interview ist ein Instrument, mit dem das Blatt nicht nur für sich selbst Renommee gewinnen, sondern auch die Isolation der rechten Szene durchbrechen und mit den Positionen vom rechten Rand in den allgemeinen politischen Diskurs eindringen will. ... Das Junge-Freiheit-Interview ist der Trick 17 der Rechten. Sie spielen sich als Tabubrecher auf, als wahre Hüter der ‚Meinungsfreiheit‘, die sich von ‚Denkverboten‘ nicht einengen lassen.“

Wenn Bandbreite-Wojna treuherzig erzählt, er hätte bei der Anti-Zensur-Konferenz linke Inhalte vertreten, merkt er nicht, daß er sich damit zum Deppen der rechten Querfrontstrategen gemacht hat. Die freuen sich doch, wenn bei ihnen jemand was „Linkes“ predigt, etwa nach dem Motto: Jaja, schimpf du nur im rechten Forum auf die Rechten – doch wer zuletzt lacht lacht am besten.


Irgendwo im Internet (ich finde die Stelle jetzt nicht mehr) hat einer die unheilige DKP-Bandbreite-Allianz lapidar kommentiert: Die Partei habe von den innerlinken Auseinandersetzungen der letzten Jahre überhaupt nichts mitbekommen. Ich fürchte, er hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Ein alter Genosse, der nicht mehr lebt, den ich sehr geschätzt habe, sagte mir mal: „Wir haben den geringsten Einfluß, und wir haben die besten Analysen.“ Er hatte nicht unrecht. Aber das ist Vergangenheit.

Der Zusammenbruch des Realen Sozialismus hat die traditionelle Linke paralysiert. (Diejenigen unter den Linken, die sich vom Realen Sozialismus und seinen hiesigen Botschaftern distanzierten, haben nicht gemerkt, wie eng auch ihr Schicksal mit dem Realen Sozialismus verknüpft war – dies mal nur so nebenbei).

Die Paralyse ist bis heute nicht überwunden. Auf die neuen Kampfbedingungen hat man sich nicht eingestellt, stattdessen ergeht man sich dauernd in resignativen Betrachtungen, wie stark wir früher noch waren und was wir früher auf die Beine stellen konnten (da waren wir noch jung). In allen linken Fraktionen ist die Wahrnehmung getrübt, erkennbar etwa an der eindimensionalen Haltung zum Nahostkonflikt. Um es frei nach Brecht zu sagen: Die Parolen sind in Unordnung, wir stehen da aus der Weltgeschichte entlassen, nichts verstehend und von keinem verstanden.

Die Weltsicht der traditionellen Linken ist formelhaft. Wir sind die Guten, es reicht zu wissen, daß wir die Guten sind. Weil wir die Guten sind, sind unsere Einschätzungen richtig. Weil wir die Guten sind, ist das, was wir machen, gut. Es gibt nichts hinzuzulernen. Wir wissen genug, weil wir die UZ (und die Junge Welt) haben. Über diesen Rand schauen wir nicht hinaus. In der ganzen Partei gibt es vielleicht gerade mal zehn Männekes und Fräukes, die den METZGER lesen.

Die Kenntnisse über Faschismus und Antisemitismus sind zur Formel erstarrt. Faschismus wird immer nur als kapitalistische Herrschaftsform assoziiert, und die Dimitroff-Formel wird immer falsch zitiert (siehe DER METZGER 48, 72). Antisemitismus wird immer noch als sozialdemagogisches Ablenkungsmanöver erklärt, mit dem das Kapital eigene Untaten anderen in die Schuhe zu schieben versuchte. In beiden Formeln, entstanden in den 20er und 30er Jahren, ist die Erfahrung des Holocaust noch nicht verarbeitet.

Die Einengung des Faschismus-Begriffs auf den politökonomischen Aspekt (Klassencharakter), die Ausblendung psychologischer, soziologischer, diskursanalytischer, kulturhistorischer, ideologiegeschichtlicher Aspekte hat die Alte Linke von der modernen Faschismusforschung abgeschnitten. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, daß etwa die verdienstvollen DISS-Veröffentlichungen in der DKP verschlungen werden.

Das steht in der schlechten Tradition des Dietz-Wörterbuchs der Philosophie, in dem alle möglichen Ideen, von Adorno bis Sartre, als „antikommunistisch“ angeschmiert werden. Das steht in einem merkwürdigen Widerspruch zum Bündnis-Fetischismus. Bündnis über alles! Dabei ist das Substantiv „Bündnis“ unauflöslich mit dem Attribut „möglichst breites“ zusammengeklebt, was den Querfrontpolitikern eine weiche Flanke bietet.

Sperrangelweit offen ist die Flanke zu den furchtbaren Banalisierern mit ihren esoterischen Verschwörungsphantasien. In der Überzeugung „Was die bürgerliche Presse schreibt, ist ja sowieso alles gelogen“ sind schlichte Gemüter gar zu empfänglich für Horror-Szenarien, in denen Reizvokabeln wie „Finanzkapital“, „Massenmanipulation“ etc. vorkommen – auch wenn dabei der Kapitalismus zu einer finsteren Verschwörung fieser Drahtzieher verflacht wird.


Mit dem ganzen Bandbreite-Klimbim bin ich meiner Parteigruppe nun doch sehr auf den Wecker gefallen. Man war geneigt, diese „Nebensächlichkeit“ schnell abzutun, wir sollten damit doch bloß von unseren „eigentlichen Aufgaben“ abgehalten werden. Und: Ob die Partei denn keine anderen Sorgen hätte.

Nein. Im Moment ist das die größte Sorge, die sie hat. Wenn ich ein Leck entdecke, durch das Wasser in den Schiffsraum eindringt, und darauf aufmerksam mache, und wenn ich dann höre: „Haben wir denn keine anderen Sorgen“, dann bin ich wohl auf dem falschen Dampfer.

Wenn es um Kultur geht, dann geht es um nicht weniger als um alles. So viel Dialektik muß man im Kopp haben, um zu wissen, daß es kein Gebiet gibt, das vernachlässigt werden darf. Es scheint aber die Mentalität vorzuherrschen, daß Kultur (Literatur, Musik etc.) im Kampf für eine gerechtere Welt eine Nebensächlichkeit ist, Beiwerk, Auflockerung, Stimmungsanheizung, Lockmittel, um an Publikum zu kommen, Bestätigung fertiger Meinungen. Nichts jedoch ist so überflüssig wie eine Kunst, die „bestätigt“.

Es lief mir eiskalt den Rücken runter, als ich in einer Einladung zu einer Kundgebung las: „Ab 14 Uhr wird Wojna von der Bandbreite die Stimmung anheizen.“

Sind wir im Blauen Bock?

Man kennt das: Bei der Gestaltung einer Kundgebung wird Musik zwischen die Reden geschoben, als „Auflockerung“, weil es sonst für die Zuhörer zu anstrengend wäre, damit sie sich mal entspannen (und miteinander quatschen) können. Man ist wohl der Auffassung, daß eine Rede keine Kunst – und ein Flugblatt keine Literatur ist. Eine Partei, die so mit der Kultur umgeht, ist zum Untergang verurteilt.

Unkritisch und apologetisch wurde ich „beruhigt“, der Wojna sei doch eben kein Politiker, sondern Künstler, das sollte man doch alles nicht so tragisch nehmen. Solch ein Hofnarren-Privileg des Künstlers möchte ich nicht akzeptieren.

Weghören würde ausreichen, wenn Künstler bloß „auflockern“, „anheizen“, bestätigen. Aber eine Existenzfrage ist es, wenn nichts anderes erwartet wird als Auflockern, Anheizen, Bestätigen.

Als ich – 16jährig – zum ersten Mal eine Langspielplatte von Degenhardt hörte, war ich danach klüger als vorher. Nicht weniger darf man von politisch ambitionierter Kunst erwarten: daß sie klüger, empfindlicher, aufmerksamer macht. Was aber erfährt man durch Die Bandbreite? Was teilt sie uns mit? Was wird durch sie klarer? Bandbreite – das ist Musikantenstadel für Linke. Den größten Vorwurf habe ich noch gar nicht ausgesprochen. Er lautet: Sie machen schlechte Musik.


Kritik an Die Bandbreite wird im Sinne einer Verschwörungstheorie völlig beleglos einer „bezahlten“ Kritikergemeinschaft zugeordnet. Dazu würden mächtige Institutionen aus den USA, linke Blogs und Antifaschisten gehören, die durch ein nicht genanntes „Zensurbüro“ koordiniert würden. Ganz im Stile des Verschwörungs-Wahns behauptet „Wojna“ Wojnarowicz: „Irgendjemand bezahlt das doch, oder? ... Man braucht sich eigentlich nur angucken, wer hat ’nen Nachteil davon, daß wir so ’nen Song über 11. September gestalten. Dann kann man sich ungefähr vorstellen, wo diese ganzen Diffamierungen herkommen und wer dafür bezahlt. Und ich bin mittlerweile sehr überzeugt davon, daß dafür bezahlt wird.“

Aber klar doch! Ganz bestimmt haben die Bilderberger im Pentagon eine Sonderkommision gebildet, die mit höchster Priorität für die Bandbreite-Eindämmung sorgen soll, weil sich sonst in der Welt herumsprechen könnte, daß der Kapitalismus putt muß.

Auf „Querfront“ angesprochen, hat das blinde Huhn ein Korn gefunden: Wojna konterte mit Verweis auf die sogenannten „Antideutschen“, die im linken Gewand rechte Botschaften verbreiten und auf die somit doch der Vorwurf der Querfrontstrategie zutreffen würde.

Wo er recht hat, da hat er recht. Am Ende sind sich die Widersacher doch sehr ähnlich.


[September 2011]



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